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Wir starten mit viel Freude und Sonnenschein in das Schuljahr 2024/2025.
Schülerinnen und Schüler unseres Förderschwerpunktes erscheinen bei uns an der Schule für schulisches Handeln zunächst oft wenig motiviert. Meist fällt es ihnen schwer, kontinuierlich eine altersgemäße und Aufmerksamkeit, Konzentration und Belastbarkeit zu zeigen. Zeitweise zeigen sie sich im Unterricht übereifrig und arbeitsbereit, häufig resignieren sie jedoch ebenso schnell und erscheinen antriebsarm und gleichgültig. Bisweilen unternehmen sie hohe Anstrengungen, um im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen und fordern ein kaum erfüllbares Maß an Aufmerksamkeit und Zuwendung ein (vgl. KMK 2000, 7).
Ein Mangel an Kontrolle über eigene endogene Impulse sowie über exogene Reize bedingt häufig Reaktionen in Form von zu stark ausgeprägten extrovertierten oder zu einseitig gefärbten introvertierten Verhaltensweisen (vgl. Von Rimmert van der Kooij, 1993, 356). Beispiele erster Art sind: Regelverstöße, oppositionelles gar aggressives Verhalten, Machtkämpfe, Übermut, Lustorientierung, eine geringe Frustrationstoleranz, (Arbeits-)Verweigerung, Ablehnung schulischer Autoritäten usw. (vgl. ebd.). Die zweite Form umfasst Verhaltensweisen bzw. Erscheinungsformen wie allgemein gehemmtes Verhalten, Angst, Unsicherheit und mangelndes Selbstwertgefühl, Rückzug, übertriebenes Misstrauen, infantiles Verhalten, selbstverletzendes Verhalten usw. (vgl. ebd.). Oft fällt es unseren Schülerinnen und Schülern sehr schwer, sich adäquat auszudrücken - sei es verbal oder in Handlungen. Die Kommunikations- und Handlungsweisen verlaufen zumeist spontan und zielen auf eine möglichst schnelle persönliche Bedürfnisbefriedigung. Ursache und Wirkung eigenen Handelns werden dabei nicht sicher abgeschätzt (vgl. ebd., 357). Stereotypes Verhalten und eine erhöhte Ichbezogenheiten verringern die Empathiefähigkeiten der Kinder, so dass sie in sozialen Situationen (Kooperation wie Wettbewerb) schnell in Konflikt geraten (vgl. ebd., 358).
Vorerfahrungen unserer Schülerklientel in vorangegangen pädagogischen Kontexten beinhalten zumeist eine hohe Anzahl kritischer oder negativer Rückmeldungen, Gefühle von (Leistungs-)Überforderung, ein hohes Erleben von Scheitern und mangelndem Zugehörigkeitsempfinden etc., so dass sich Verhaltensauffälligkeiten meist manifestierten.
Wechselt ein Kind von der Grundschule an die Förderschule, stellt diese nicht selten zunächst eine Angstbarriere dar – auch für unsere Elternschaft, so dass Vorbehalte nach und nach ausgeräumt werden müssen. Günstige Voraussetzungen in Punkto Lernmotivation und Schullust sind auf Seiten der Kinder beim Schulwechsel eher nicht gegeben. Bestehen zudem fachliche Diagnosen kann eine vermeintlich manifeste Wahrnehmung von „So ist es“ (Eltern) / „So bin ich“ (Kind) noch gesteigert sein und eine bestehende Skepsis aufrechterhalten. Das Vertrauen in mögliche Veränderungsprozesse erscheint insbesondere zu Beginn der Zusammenarbeit auf Seiten der Schüler- und Elternschaft in unsere schulische Arbeit oft eher gering ausgeprägt.
Obwohl die Kinder an unserer Schule in altersgemäß möglichst homogen zusammengesetzten, eher kleinen Lerngruppen lernen, diagnostizieren wir sehr heterogene individuelle Potenziale und Bedarfe im Bereich des Arbeitsverhaltens, in der sozial-emotionalen Entwicklung und auf der curricularen Ebene.
Vor diesem Hintergrund stellten sich uns folgende Fragen:
Im Prozess der Schulentwicklung ist an unserer Schule das Konzept des sog. Hilfetisches im Unterricht aller Unterrichtsfächer zur Förderung des individuellen Lern-, Leistungs- und Arbeitsverhaltens unserer Schülerinnen und Schüler und zur Vermittlung curricularer Inhalte entstanden. Dieses sieht zunächst einmal eine räumliche Ausstattung aller Klassenräume insofern vor, als dass alle Klassenräume über einen sog. Hilfetisch verfügen, um den alle Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe Platz finden können.
Der Hilfetisch wird für Gruppenprozesse wie etwa eine tägliche Morgenrunde, den wöchentlichen Klassenrat, den Magic Circle, das tägliche gemeinsame Frühstück und für curriculare Unterrichtsgespräche genutzt. Der Einsatz des Hilfetisches intendiert in diesen Zusammenhängen besonders das individuelle Zugehörigkeitsempfinden aufzubauen und zu unterstützen sowie ein Gefühl von Miteinander und Gruppengefühl zu stärken – allein durch diese gewohnte Platzierung des Kindes im Kreis der Gruppe und als Platzierungsformat der Gemeinschaft. Dabei steht die aktive Beteiligung des Kindes in diesen Prozessen bewusst zunächst weniger im Fokus; von Bedeutung ist allein die individuelle Teilhabe am Gruppengeschehen und die Anreicherung des Gefühls „dabei zu sein“, „Teil eines Ganzen zu sein“. Aus unserer Erfahrung bedingen die routinierten Zusammentreffen am Hilfetisch auf Dauer selbstregulativ die Eigenaktivität des einzelnen Kindes in den dann laufenden Prozessen innerhalb der Gruppe. Wir stellen fest, dass dadurch Kommunikations- und Interaktionsverhalten, ein Gefühl von Nähe und Distanz, Fähigkeiten in der Empathie und ein Bewusstsein individueller Auswirkungen für die Gruppe gefördert werden.
Neben dem chancenreichen Aspekt der Förderung der erlebten Bezogenheit des einzelnen Kindes in der Gruppe und der Gemeinschaft als Gesamtes fokussiert das Format des Hilfetisches besonders auch die individuelle Förderung des Kindes bezogen auf seinen curricularen Lern- und Leistungsstand sowie auf seinen sozial-emotionalen Entwicklungsstand. So ist der Hilfetisch, entsprechend seiner Namensgebung, in Einzelarbeitsphasen Ort der Hilfe und entsprechende Anlaufstelle – von Prozessen des ‚Aufzeigens/Meldens’ der Schülerinnen und Schüler bei Hilfebedarf wird durch dieses Format abgesehen. Besteht im Erleben des Kindes ein Gefühl von Hilfebedarf und des ‚Nicht-Weiterkommens’ sucht es in diesen Momenten den Hilfetisch auf, an welchem die Lehrkraft fest im Raum platziert ist.
Eigenverantwortlichkeit für den persönlichen Lernprozess wird damit auf Seiten der Schülerschaft vorausgesetzt und gelebt – ein individuelles Autonomiebedürfnis zugestanden und gesichert, ein Vertrauensvorschuss in die individuierte Einschätzung des Kindes vermittelt und nicht von außen „übergestülpt“, durch z.B. (Kontroll-)Gänge der Lehrkraft.
Gefühle von Unfairness oder Eifersucht durch ein Erleben von „Nicht-Gesehen-werden“ oder zu langem Aufenthalt der Lehrkraft bei einem Kind können so minimiert werden, weil die Lehrkraft eben äußerlich fest platziert ist, und weil das Kind ein ‚Sehen seinerseits’ durch das Aufsuchen des Hilfetisches selbst bestimmt und für sich wahrnehmen kann.
Das gewählte Format sorgt außerdem für Ruhe im Raum, weil die Lehrkraft nicht im Raum herumläuft, sondern an einem sicheren Ort im Klassenraum für die Kinder zu finden ist; angesichts unserer Schülerklientel kein unwesentliches Merkmal. Automatisch werden durch den Einsatz des Hilfetisches Leistungen in Punkto ‚Abwarten’ und Bedürfnisaufschub dadurch gefördert, dass das Kind Teil einer wohlmöglichen ‚Warteschlange’ sein kann und eben ‚Warten’ automatisch üben muss. Der Hilfetisch bietet darüber hinaus Gelegenheit, ein einzelnes Kind in der Nähe der Lehrkraft zu platzieren – sowohl aufgrund curricularer als auch sozial-emotionaler Erfordernisse. Auch sind in diesem Format Einführungen neuer curricularer Inhalte oder auch Wiederholungen und Vertiefungen von Inhalten mit einzelnen Kindern oder auch einer Kleinstgruppe möglich. Eine Schutzmöglichkeit für das einzelne Kind ist stets immanent, weil der persönliche Lern- und Leistungsstand bzw. der Bedarf des Kindes in der Gesamtgruppe weniger offensichtlich erscheint.
Festzuhalten ist, dass das Konzept des Hilfetisches eine Ruhe im Raum und eine entspannte Arbeits- und Lernatmosphäre fördert, einen höheren Anteil an Einzelkontakten zu der Schülerschaft und ihrer persönlichen Begleitung zulässt sowie eine Zunahme an individuellen Fördermöglichkeiten bei gleichzeitiger Gruppenförderung ermöglicht und gewährleistet.
Beispiel für eine Raumaufteilung mit einem zentral positionierten Hilfetisch ist:
Quellenangaben: